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Notizen "TagumTag"

 

"TagumTag" heißt das Notizbuch, das seit etwa 1993 auf meinem Desktop liegt und das mir, neben den papiernen Notizbüchern, als Arbeits- und als Tagebuch dient. Aus diesen Notizen habe ich hier eine Auswahl getroffen. Es sind Texte, Gedanken und Fragen, die auch heute noch für mich eine Relevanz haben, die mich noch immer beschäftigen, die stetig wiederkehren. Es sind Beobachtungen, Alltagbeschreibungen, Stimmungen, Protokolle von Gesprächen, die gerade, weil sie so unspektakulär aus meinem Leben und Umfeld erzählen, vielleicht etwas Dokumentarisches haben. Wahrscheinlich aber drückt alles zusammen genommen meine unaufhörliche Suche nach Gewissheiten und dauerhaften Einsichten aus.

 

Ernst und Spiel

Veröffentlicht am 09.01.2015

Das Politische im Persönlichen finden, das wäre mein Ziel. Gerade auch weil mir in diesen Wochen zum wiederholten Male auffällt, wie sehr das politische Geschehen sich meinem poetischen Ausdruck entzieht. Je mehr ich mich mit den gesellschaftlichen, den politischen Geschehnissen befasse, je mehr ich, wie es so schön heißt, die Fakten checke, je mehr und häufiger ich mich allen möglichen Nachrichten- und Informationskanälen bediene, umso mehr werde ich zu einem Teil dieser politischen (John Williams würde sagen: äußeren) Welt. Ich fange an, Worte in meine Sprache hinein zu nehmen, die nicht die meinen sein sollten, ich bin einigermaßen informiert, verenge aber meinen Blick auf Positionen, auf Pro und Contra, auf Falsch und Richtig. Ich werde verunsichert, misstrauisch, immer unruhiger, aufgeputscht und panisch. Ich sehe Kriege, Gewalt, bürgerkriegsähnliche Zustände auf uns zukommen. Ich sehe mich abwechselnd mitten im Tumult, mit blutiger Nase, lauthals brüllend, weil mir ohnehin keiner zuhören will, und dann wieder sehe ich mich fluchtartig mit meiner Familie in die Schweizer Alpen auswandern.

So wichtig es ist, gerade in diesen Wochen, wachsam zu sein, ich spüre doch, dass eine gute Geschichte zu schreiben nur gelingen kann, wenn ich mich diesem Politischen, der Aktualität der Ereignisse auch wieder entziehen kann. Ich brauche eine andere, eine eigene Sprache,  brauche Abstand, um die eigene, oft widersprüchliche Wahrheit hinter den vielen hinaus posaunten Wahrheiten finden zu können. Je lauter es draußen ist, umso leiser sollte ich werden, je mehr es um DIE EINE Wahrheit da draußen geht, umso mehr sollte ich die Darstellung einer einzigen Wahrheit hinterfragen.

Es wird nicht leicht sein, die Lage ist ernst. Aber ich darf es nicht verlernen, das lustvolle Spielen.

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Meine Arbeit

Veröffentlicht am 21.08.2014

 Was mache ich? Nachdenken. Im besten Sinne des Wortes. Es geschehen Dinge und ich denke ihnen nach, hinterher sozusagen. Ich kriege sie gerade noch so zu fassen um sie mir noch einmal anzuschauen. Ich versuche sie zu begreifen, diese Dinge, die um mich herum geschehen...

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?Gerechtigkeit?

Veröffentlicht am 29.07.2014

Die wirklich unsere Staatskasse, unsere Demokratie schädigenden Steuerhinterzieher sind Ultrareiche und die weltgrößten Konzerne (darunter Google, Apple und Amazon). Allen voran ebenfalls die zwanzig größten DAX-Unternehmen (wie DHL, VW, Eeon, Siemens und wie sie alle heißen). Sie betreiben unzählige Tochtergesellschaften, geführt aus der Schweiz und Luxemburg oder Amsterdam, mit fiktivem Sitz in Steueroasen wie den Bahamas oder den Jerseyinseln, in Delaware, Hongkong oder Singapur. VW allein hat, der WDR Reportage von 2013 zufolge, 93 Tochtergesellschaften, die miteinander vernetzt und weltweit verzweigt sind. Und nach der Aussage eines Mitarbeiters des Netzwerkes Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network) ist der (oft vorgetäuschte) Handel innerhalb dieser den Konzernen gehörenden Tochtergesellschaften höher als der Handel zwischen den Konzernen und ihren Konsumenten...

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Geben und Nehmen

Veröffentlicht am 27.07.2014

Was bedeutet es Geld zu haben? Wenig oder keines. Was bedeutet die Ungleichheit, in der die Menschen immer leben werden? Was macht dieses Geld mit uns? Wie wäre eine Gesellschaft, in der alle gleich viel hätten? Wer kann geben, wie viel und warum?

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Europa 2014

Veröffentlicht am 26.05.2014

Europa hat gewählt. In Ländern wie Frankreich und England haben die EU-Gegner, rechtspopulistische Parteien, die etablierten Parteien in den Schatten gestellt, in vielen Ländern eine alarmierend breite Wählerschaft hinter sich versammeln können. Jetzt spricht man in Frankreich schon von einem Referendum

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Das Gefühl von Freiheit

Veröffentlicht am 03.04.2014

Häufig, wenn ich nach meinen Runden am Rand des Fußballfelds stehe, um dort meine gymnastischen Übungen zu machen, denke ich bei den über mich einfliegenden Flugzeugen an zweierlei.

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Neid

Veröffentlicht am 05.02.2014

Da geht es jemanden besser als einem anderen. Vorher ist man Jahre lang etwa gleich dran gewesen. Man hatte gleich wenig und gleich viel zu kämpfen. Dann hat der eine einen Sprung  nach vorne gemacht, aus welchen Gründen auch immer. Er hat vielleicht einfach nur Glück gehabt, den besseren, besser bezahlten Job bekommen. Oder er hat geheiratet und die Beziehung ist sogar glücklich und stabil, so dass man auch längerfristig mit einer doppelt abgesicherten privaten Wirtschaftseinheit rechnen kann, während der andere nie geheiratet hat, schon aus Prinzip nicht, aber auch aus Eigensinn nicht und jetzt allein erziehend da steht und lebt und dadurch finanziell und, nein, in allen Bereichen, Nachteile hat. Diese Person kann nicht ganztags arbeiten gehen oder an ihr sind, weil sie auf die Kinder aufpassen musste und muss, die Aufstiegschancen vorbei gezogen, sie muss eine Wohnung allein finanzieren (wie übrigens auch ihr ehemaliger Partner ein ähnliches Los gezogen hat).

 

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Am Ende der Spiegel

Veröffentlicht am 25.10.2013

Der Tod ist für jede Beziehung ein Endpunkt, egal, wie sie war. Er ist wie ein klarer Spiegel, ans Ende eines Menschenlebens gestellt, in dem sich der Sterbende und seine ihm nahestehenden Begleiter noch einmal sehen können und müssen. Der Tod sagt, bis hierhin, nicht weiter. Sprecht jetzt, versöhnt euch, sofern ihr das müsst, bringt euren Bogen zu Ende. Es kann wie im Film sein, groß und wahrhaftig, erlösend, wenn man das will, wenn man das zulassen kann. Oder es ist eine Zumutung, zusammen in diesen Spiegel zu sehen. Man findet die letzten bedeutenden Worte nicht mehr, man hat sie vielleicht nie gefunden und sucht sie auch nicht. Das ist dann auch möglich. Niemand macht wirklich irgendwas falsch, im Beisein des nahenden Todes. Kann sein, dass man dem Sterbenden manchmal zu laut spricht, dass man in seinen Ohren nur plappert, ihn interessiert jetzt das meiste nicht mehr. Kann sein, dass man den Kaffee oder Tee zu heiß an sein Bett bringt. Dass man nur schweigt, weil einem nichts einfällt. Dass man sein Jammern nicht mehr versteht, dass ihm das Aufrichten weh tut, dass ihm die Frischluft zu kühl ist. Kann alles sein, aber man braucht es nicht fürchten. So jedenfalls habe ich das bei meinem Vater erlebt. Der Tod und das Sterben ist etwas, mit dem wir lernen können umzugehen, wie mit allem. Der erste Sterbende ist wie die erste Geburt. Überwältigt steht man davor und wird durch dieses Erleben ein anderer, stärker und tiefer im Leben verankert. Es gibt diese Ängste davor, die Angst nicht zu wissen, was da zu tun ist, wie man das aushalten kann. Wenn man aber dabei ist, dann handelt man instinktiv richtig. Man wächst und man scheitert, wächst durch das Scheitern, wächst vielleicht über sich selber hinaus. Man wird ein anderer werden. Das wollte ich sagen mit NICHT GENUG: Dass dieses sich Einlassen, Aussetzen, Ausnahmezustände leben, dass dieses sich selbst Überwinden wertvoll und gut ist. Dort wo die Angst sitzt, sollte man rein.

 

 

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Tröstlich

Veröffentlicht am 23.10.2013

Die Gegenwart ist die stärkste Zeiteinheit, der sich aufreihende Augenblick, dieser Moment und dann schon der nächste. Natürlich denken wir an die Toten, wir erinnern uns an sie, aber im selben Moment atmen wir, spüren wir uns selbst, unseren Hunger, unseren Rücken, oder unsere Augen reagieren auf etwas, was wirklich noch da ist und die Erinnerung fällt ins Flüchtige, Nebelhafte zurück. Das Vergangene festzuhalten ist nicht möglich, oder nur dann, wenn wir uns ganz bewusst darauf konzentrieren es zu bewahren, wenn wir es uns mit Fotografien oder Filmen oder Tonaufnahmen wieder sinnlich erlebbar machen oder wenn wir es aufschreiben oder malen, uns bemühen unsere Erinnerung zu Papier zu bringen, dann und nur dann hat das Vergangene genügend Kraft und Anziehung und gewinnt eine Präsenz, die ähnlich stark wie das Gegenwärtige sein kann, das uns umgibt.

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Verständigung

Veröffentlicht am 07.10.2013

Nichts ist schwieriger zwischen den Menschen als die Verständigung, das sich Ausdrücken, das Miteinander sprechen, die Vermittlung von Gefühlen und Informationen. Warum ist das so, wo wir doch als einzige Spezies auf diesem Planeten außer der Gestik und Mimik, außer der Sprache der Augen noch die Worte haben, die Worte und ihre Modulation, die Worte und ihren sozialen Kontext? Warum erscheint es trotzdem häufig so kompliziert, auf der gleichen Welle seine Botschaften hin- und her zu senden? Oder anders gefragt: Gibt es bei den Tieren, von deren Sprache wir inzwischen wissen, dass sie viel ausgefeilter ist, als wir früher dachten, auch Missverständnisse, verletzte Gefühle, falsche Erwartungen, Unausgesprochenes, Bedeutungen zwischen den Zeilen? Wiederholen sie deshalb so auffallend häufig ihre Rufe und Laute, damit sie unmissverständlich verstanden werden? Unter uns Menschen jedenfalls überwiegt auffallend häufig die Ungenauigkeit der Übermittlung, das Missverstehen, das falsche Einordnen des Gesagten, das Vorurteil, die Voreingenommenheit, das pure Unwissen über den anderen, das Befremden, das Bestürztsein über das Gesagte, die Enttäuschung, weil man wieder einmal nicht sofort verstanden wurde, sich falsch eingeschätzt und behandelt fühlte. Unter uns herrscht auffallend häufig eine Art von Sprachverwirrung, die daher rührt, dass wir diesen komplizierten Vorgang der Verständigung schlichtweg unterschätzen. Wir gehen meistens von der naiven Annahme aus verstanden zu werden, unseren Gedanken, unseren Wunsch nur einmal klar und deutlich hervorbringen zu müssen und schon würde er verstanden oder ihm Folge geleistet werden. Passiert dies nicht, was auffallend häufig der Fall ist, reagieren wir mit Ungeduld, mit Unverständnis und haben eines dabei übersehen: Wir haben uns gar keine Mühe gegeben. 

Was mache ich eigentlich?

Veröffentlicht am 29.08.2013

Was mache ich eigentlich? Ich mache im Ergebnis jedenfalls das, was die meisten hier tun. Ich funktioniere. Ich funktioniere nach der Uhr, die mich morgens um sieben weckt und mir abends um elf sagt, dass ich jetzt, um den nächsten Tag wieder zu funktionieren, ins Bett gehen sollte. Ich funktioniere auf diese Weise, gesetzt den Fall, der Schlaf funktioniert, sechzehn Stunden pro Tag. Das ist wenig, das könnte mehr sein, wenn ich mit sieben oder sechs Stunden Schlaf auskommen könnte. Eine Stunde Schlaf weniger pro Nacht ergäbe eineinhalb bis zwei Tage mehr im Monat, an denen ich funktionieren könnte. Es könnte aber auch die eine Stunde sein, in der ich, bevor mich der Schlaf abschaltet, zu mir selbst komme oder zu dem, was mich eigentlich beschäftigt. Es beschäftigt mich nämlich so manches,

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Hubschrauber

Veröffentlicht am 30.07.2013

Seit einer halben Stunde kreist ein dunkler, wahrscheinlich schwarzer Hubschrauber am Himmel, hier über die umliegenden Häuserreihen und Straßen, steht in der Luft mit dröhnendem Rotorengeräusch, dreht etwas ab, steht wieder. Vermutlich werden wir gerade von oben fotografiert, wir und die Häuser und Straßen und Bäume, oder gefilmt, erfasst jedenfalls, beobachtet, gescannt. Es ist so laut, dass ich nicht einmal hinter geschlossenen Balkontüren arbeiten kann. Es ist ein passendes Bild zu dem, was in diesem Sommer als Abhöraffäre diskutiert wird. Wir sind im Visier, zumindest sobald wir uns im digitalen Raum bewegen und dort etwas von uns preisgeben. Der russische Geheimdienst und die dortige Regierung haben inzwischen wieder auf Triumph Schreibmaschinen umgestellt, mit Durchschlägen, um ihre interne Kommunikation geheim zu halten, die Geheimhaltung zu gewährleisten. Ein Glück, dass ich das Zehnfingersystem noch gelernt habe. Ich kann jetzt also Briefe tippen und per Post verschicken, wenn ich meine Privatsphäre erhalten will. Oh nein, die Post gibt auch schon Daten weiter, wer mit wem wie oft und all so was. An wen, für was, weiß ich nicht, aber das Postgeheimnis sei auch schon ausgehöhlt. Dann sollte ich meinen Brief wohl wieder mit der Brieftaube verschicken oder einem Boten meines Vertrauens geben, der ihn an den Empfänger überbringt, und warum nicht gleich handschriftlich schreiben, das nämlich kann ich auch noch, ein Lob auf das alte Schulsystem mit der Kreidetafel und dem Füllfederhalter. Die Netzgemeinde aber, die glaubte, im digitalen Raum endgültig die Basis für Freiheit und Demokratie gelegt zu haben, die sich autonom und selbstbestimmt fühlte, ist jetzt betrogen. 

Im Hof

Veröffentlicht am 12.03.2013

Ich sitze im Hof auf den von der Sonne erwärmten Steinplatten, zwischen Haus und Schuppen, ich habe mich da vermutlich selber hingesetzt, denn ich bin sehr damit einverstanden, so da zu sitzen, so alleine, ich habe überhaupt nicht die leiseste Empfindung einer Angst oder eines Verlassenseins in mir. Im Gegenteil, es ist der reinste Genuss, mich meinem Interesse an den Ritzen zwischen den Steinplatten ungestört hingeben zu können. Ich pule die weiche kühle Erde aus einer Fuge vor mir und stecke diese kalte braune Creme in den Mund. Es schmeckt nicht nach Eis, wie ich möglicherweise dachte, und vielleicht bin ich enttäuscht und spucke das braune Zeug, das zwischen meinen Milchzähnchen knirscht, wieder aus und weil es nicht weit genug heraus gespuckt werden kann, wische ich die schmierigen Klümpchen, die nun an meinem Mund hängen, mit meinen dicken kleinen Händen wieder ab, jedenfalls versuche ich das. Oder ich versuche es nicht

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Respekt vor dem Leben

Veröffentlicht am 24.10.2012

Weil unsere Fähigkeit und Bereitschaft für einen anderen da zu sein begrenzt ist, wurde die Unterstützung und Hilfe für Notleidende wahrscheinlich institutionalisiert. Der Alte kommt in ein Pflegeheim, der Obdachlose in ein Obdachlosenasyl, der psychisch Kranke in ein Therapiezentrum, der Drogenabhängige in eine Entzugsklinik, das behinderte Kind wird immer häufiger gar nicht mehr erst geboren. Menschen in Not, hilfsbedürftige Menschen sind anstrengend für ihre Umwelt, sie kosten Zeit und Energie, die der Leistungsgesellschaft verloren geht. Der arbeitende Angehörige gerät unter Druck, ein Pflegefall bringt eine Familie oft an die Grenzen ihrer inneren Solidarität. Überforderung ist die Reaktion. Stress. Abwehr. Kann eine Partnerschaft einen Pflegefall aushalten? Kann ein Kind seine Eltern pflegen? Ist die Bereitschaft, die Nähe zueinander ausreichend da? Jemals da gewesen? Wie ist unser Verhältnis zu unserem Körper, wenn er nicht mehr gesund und schön ist? Wie gehen wir mit Krankheit und Tod um? Und wie erst mit einem Fremden, der sich uns plötzlich aufdrängt in seiner Hilfsbedürftigkeit?

Auf der anderen Seite: Wir sind schon erheblich zivilisierter und humaner, hilfsbereiter als in früheren Zeiten. Der Staat hat ausreichend finanzielle Kapazitäten um unser Bedürfnis nach einer humanen Gesellschaft in seinem Sozialsystem umzusetzen. Wir lassen den Kranken und Alten nicht mehr einfach am Wegrand liegen und ziehen weiter. Wir haben inzwischen Respekt vor dem Leben. 

Richtung

Veröffentlicht am 07.05.2012

Mein eigenes Denken folgt zwei Richtungen. Die eine Richtung führt immer in den Fatalismus, zu der traurigen Erkenntnis darüber, dass dem jeweils von mir betrachteten Problem eine Bestimmung /Bestimmtheit des Menschen voraus geht, wovon er sich nicht befreien kann, so sehr er das auch möchte. Die Haut, in der wir stecken, die Familie, aus der wir kommen, die Gene, die uns bestimmen, die Conditio humana, die uns so unvollkommen macht. Dem entgegen steht dann aber mein kleines beschissenes eigenes Leben, das ich ein glückliches nennen möchte, weswegen ich mit aller Naivität meinem Fatalismus trotze und immer an das Gute, an ein gutes Ende, an eine positive Wendung glauben möchte, eine Naivität, die mich wenigstens die nahe Zukunft, den nächsten Tag, diesen Tag, diesen Nachmittag gestalten lässt, als hätte ich ihn in der Hand.

Besitz

Veröffentlicht am 16.07.2011

Jemand, der nichts oder nur das absolut Lebensnotwendigste besitzt, wird wahrscheinlich danach streben dieses Wenige behalten zu wollen, weil er es zum Überleben braucht oder er wird danach streben mehr zu besitzen, weil er sich vorstellt, dass es ihm dann besser gehen würde, dass er zufriedener und glücklicher wäre.

Jemand, der mehr besitzt, als zu seinem Leben unbedingt notwendig ist, der sich diesen Besitz aber mit der Kraft seiner Lebensjahre erworben hat oder der für diesen Besitz weiterhin hohe Kreditraten bezahlen muss, der wird vielleicht zufrieden sein, vielleicht aber auch nicht, die Zufriedenheit wird nicht proportional zu dem Mehr an Besitz, was er sich erworben hat, angestiegen sein. Er wird, wenn er das Zehnfache als der Erstgenannte besitzt, nicht zehn Mal so zufrieden sein. Er wird vielleicht sogar weniger zufrieden sein, weil er sich für viele Jahre die Verpflichtung aufgebürdet hat, Kreditraten dafür zu bezahlen, was ihm das Gefühl gibt, für den Rest seines Lebens ein Gefangener seiner erfüllten Wünsche zu sein.

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Fremdwort Yoga

Veröffentlicht am 01.10.2009

Ich habe mir die Aufgabe gestellt, aus mir eine komische Figur zu machen. Das erste, was mir dazu einfällt, ist, dass ich alles andere als komisch bin, das exakte Gegenteil. Wenn ich mit mir alleine bin, ist das besonders zu merken. Es gibt keinen einzigen Lacher, ich pfeife auch äußerst selten vor mich hin oder singe, so wie das mein Mann oft macht.  Ich stecke in einer Art Zwangsjacke, die mir jede Lockerheit nimmt. Meine Muskeln sind mittlerweile so verhärtet, dass ich zur Physiotherapie gehen muss. Man hält mich für eine Sportlerin,

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Mutter

Veröffentlicht am 01.03.2009

Sie weiß jetzt, wie das ist, Mutter zu sein. Sie weiß es, aber es fällt ihr schwer es zu benennen. Je länger sie Mutter ist, umso mehr fehlen ihr die Worte für komplexere Zusammenhänge. Sie kann auch kaum mehr längere Sätze verstehen, in denen es um abstrakte Gedanken geht. Heute Morgen las sie so einen Satz,

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Treffen

Veröffentlicht am 26.08.2008

Er kam mir in unserer Straße entgegen, zwei Häuser von unserem Eingang entfernt. Mit federnden Schritten und den Knöpfen eines Ipods in den Ohren. Er strahlte, als ich das Fahrrad anhielt und mich nach ihm umdrehte. Diesen „Dich kenn ich doch“-Blick müssen wir beide in diesem Moment gehabt haben.

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Luzern

Veröffentlicht am 30.01.2008

Heute Nachmittag ging ich durch den Wald hinter dem Huobenfang. Es war ein trüber Tag mit Nieselregen, an dem ich nicht mal die Berge, die sonst diese Landschaft einrahmen, zu Gesicht bekam. Viel zu warm, 11 Grad hat es. Ich ging über den kalkig schmierigen Weg, der über die Schlucht führt und folgte dem Vitaparcour, einem Trimmdichpfad, ein Stück dem Bachlauf entlang. Es ist kein Wald, der mir Freude macht, das wusste ich schon vom letzten Mal, als ich mit H hier entlang gegangen war. Glücklich, von D’s Haus einfach loswandern zu können, drangen wir in diesen Wald ein, um schon bald das Rauschen der Autos auf der Autobahn zu hören, deren Betontrasse, eine riesige Schlange auf Stelzen, sich über die Waldhänge, Bäche und Flussläufe windet.

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Menschen

Veröffentlicht am 15.10.2007

Es sind die Menschen, die mich faszinieren, deren Grundbedürfnisse sich gleichen, deren Innenleben aber so divers ist, dass ich am liebsten in jeden einzelnen hineinschlüpfen würde. Was geht in ihnen vor, wenn sie sprechen. Was sagen sie und was meinen sie stattdessen. Was wird wie und warum gefiltert. Das Gesicht auf einer Party, das Gesicht alleine später zuhause beim Blick in den Spiegel im Flur, die vielen möglichen Wahrheiten, die Ratlosigkeit im Umgang mit Gefühlen, die Schwierigkeiten der Liebe, die namenlosen Ängste, die sich hinter Aggressionen und Arroganz und so manchem clownesken Auftritt verbergen, das Bild, das man abgeben will, die Werte, die man verbissen zu verkörpern versucht, der Fröhlichste in der Runde, der am Ende der Traurigste ist, das Erkennen der Grenzen des eigenen Lebens, die wachsende Verletzbarkeit, je älter man wird, wie werde ich glücklich, wie schaffe ich es, nicht alleine zu sein, zu zweit nicht ständig unglücklich, nicht angenommen zu sein? Das Alter, in dem man mit ausgestreckten Armen die beiden Enden des Lebens berührt. (Richard Ford!) M ist gestern vierzig geworden.

 

Aufsaugen

Veröffentlicht am 12.09.2007

Das Leben interessiert mich, die täglichen Begegnungen, ich sauge sie auf, das ist im Prinzip der Stoff, von dem ich abhänge. Alles kommt mir interessant und oft sonderbar und erzählenswert vor, noch die kleinste Banalität, nein, banal ist im Grunde ja nichts. Mir gehen die Gespräche und Beobachtungen noch tagelang durch den Kopf, jetzt, wo ich wieder Zeit habe, ihnen diesen Raum zu geben, wo ich nicht unterrichten muss. Ich richte meine Aufmerksamkeit weniger auf den äußeren Rahmen, auf Details des Aussehens einer Person, auf eine Wohnungseinrichtung, auf die Kleidung, auch das Gesicht der Person bleibt nur vage wahrgenommen. Was bei mir ankommt, ist ein emotionaler Eindruck, eine Atmosphäre. Genauer erinnere ich mich aber an das Gesprochene, an die Stimmlagen, an die Gesten und Gebärden dabei. 

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Meine Mutter

Veröffentlicht am 06.09.2007

Meine Mutter erzählte gestern Abend unter herzhaftem Gähnen von den kargen Jahren ihrer Kindheit, etwas, wovon sie, wie mein Vater sagte, immer öfter erzählt. Wie sie sich als Kind, wenn sie Hunger hatte, einfach auf den Boden gelegt habe. Dass sie sich nicht an ein gutes Essen zuhause erinnern könne,

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Wert des Geldes

Veröffentlicht am 03.09.2007

Mein Vater hat in seiner Zeit als Jalousienmonteur in viele Fenster geschaut. Einmal in eine Konditorei, in der die Bäcker gerne und oft ihre Finger und ihr Werkzeug abgeleckt hatten, mit dem sie dann seelenruhig die Torten bestrichen. Ein anderes Mal hat er am Fenster der Deutschen Bank in Lahr gehangen und gesehen, wie man hinter dem Panzerglas Geld vernichtet hat. Da standen Kartons voll mit Hundertmarkscheinen, die durch den Schredder liefen, alte Banknoten, die, weil sie schadhaft oder schmutzig waren, von den Landesbanken hergeschickt wurden, um hier an der Zentralstelle vernichtet zu werden. Immer zwei Bankangestellte hätten sich im Raum befunden, um sich gegenseitig zu überwachen, beim kleinsten Verdacht auf Bereicherung wäre sofort die Polizei da, hätten ihm später die Angestellten erzählt. Für meinen Vater war die Vernichtung des Geldes, für das er sich Tag für Tag krumm machte, ein merkwürdig absurder Anblick. Da hätte er gemerkt, dass er so einem Schein eine lächerlich große Bedeutung geben würde, gemessen daran, wie im Großen damit umgegangen wird.

Meine Mutter

Veröffentlicht am 03.08.2007

Ich denke an meine Mutter, die nicht wie ich schreiben muss und die doch jetzt, wo sie über 70 ist, sagt, dass die Zeit vor der Ehe und die Rentenzeit die besten Zeiten sind, weil man da zu sich selbst kommen würde.

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