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Unser Reichtum

Veröffentlicht am 02.02.2015

Oh wie arm wären wir, wenn wir unser Kind nicht bei uns hätten. Es möge immer unser Kind sein, so wie jetzt, so wie jetzt, so wie jetzt.

 

Wachse, wachse, natürlich, liebes Kind. Oh nein, wachse nicht.

 

Bleib so an uns geschmiegt, an unserer Brust und in unseren Armen.

 

Auf das Windeln können wir gerne verzichten. Auf dein Aufwachen in der Nacht auch. Es ist schön, wenn du nicht mehr alles zerstören musst, um es zu verstehen. Es ist schöner, wenn du anfängst dir deine Welten zu bauen. Es ist großartig, wenn du schon selber aufs Töpfchen gehst. Und dann auf diesen Erwachsenenthron. Und wenn du dich selber abputzen kannst, da haben wir auch nichts dagegen. Und wenn du deine Flasche selber halten und dir deinen Brei selber füttern kannst, damit können wir leben, das finden wir gut. Auch dass dein Essplatz immer weniger aussieht, als wäre ein Schnellkochtopf explodiert, finden wir gut. Finden wir sehr gut. Wir freuen uns, wenn du krabbeln kannst und wir freuen uns, wenn du laufen kannst und wir freuen uns, wenn wir dich nicht mehr immer, nur noch manchmal tragen müssen.

 

Wir tragen dich aber immer noch gern, wir halten dich gern in unseren Armen, an der Hüfte, auf unseren Schultern. Wir halten dich gerne im Arm, auf unserem Schoß, um dich zu trösten. Wir halten dich gern, wir wärmen dich gern und wir spüren so gern deine eigene Wärme.

 

Wir haben dich lieb.

 

Wir stehen oft an deinem Bett und schauen dich an, während du schläfst. Wir sehen nach dir, bevor wir selber ins Bett gehen. Wir stehen dann da, sehen dich an und denken dann immer in etwa das Gleiche. Wie schön, dass du da bist. Wie schön. Bleib so, mein Kind, bleibe noch bei uns.

 

Aber du wächst und füllst dieses Bett und auch das nächste bald aus. Du wächst und füllst deine Kleider und Schuhe bald aus, in denen wir dich häufig fotografieren. Die Schwermut wird schwerer, wenn wir diese Kleider und Schuhe aussortieren müssen, wenn wir sie weggeben müssen. Mit jeder Größe, die wir aus deinem Schrank aussortieren, geht ein Stück deiner Kindheit aus unserer Tür. Eben noch haben wir uns über deinen ersten Zahn, den ersten da unten, gefreut. Und schon fängt er an, der erste, zu wackeln. Und deine Haare und Beine und Arme und Seiten sind lang. Und deine Worte reihen sich lang schon zu kleinen Geschichten. Und deine Gedanken ragen schon lange über die einfachsten Dinge hinaus. Und in deinem Kopf entstehen jetzt immer mehr Fragen. Wir müssen verhandeln mit dir. Du folgst uns nicht ohne Erklärung. Du folgst uns am liebsten, wenn du es selber verstehst. Du kannst jetzt sehr vieles alleine, wenn du es willst. Du schmökerst in Büchern und hörst deine Lieder und Hörstücke an. Du folgst dir jetzt immer mehr selber. Und klein bist du nur, wenn du es brauchst. Wenn dir das Groß Sein zu viel wird. Unglaublich, wie bist du schon manchmal vernünftig. Und dann wieder reines und rohes Gefühl, Trauer und Wut und Verzweiflung. Wir haben dich lieb, egal, ob du groß oder klein bist.

 

Wir lieben dich sehr und würden die Zeit gerne dehnen, die Zeit deiner Kindheit, die Jahre gemeinsamer Spiele. Wir nähmen das Streiten und Jammern, das Quengeln und Trotzen, die Ratlosigkeit und unsere Erschöpfung in Kauf. Unsere Kraft an dich zu verschwenden ist ihre schönste Verwendung.

 

Wir werden müde und fühlen uns reich.