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Was uns trennt

Zum Stück         Hörprobe       Produktion & Besetzung

 

„Und ich sage immer: Regeln wir's friedlich, intelligent und gemeinsam. Und am Ende muss stehen: So, jetzt ist jedem geholfen. Was meinen Sie?“

(Herr Füssli)

 

Als jemand, der sich im Alter von sechzehn in den Kopf gesetzt hatte Autorin zu werden, war ich den materiellen und finanziellen Aspekten des Lebens immer etwas ignorant gegenüber geblieben. Ich wusste instinktiv, dass ich mir eine Tätigkeit ausgesucht hatte, die mich nicht zwangsweise ernähren würde, dass ich das Nötigste zum Leben irgendwie, zur Not anderweitig, heranschaffen müsste, dass Geld mir als solches nicht wichtig sein sollte. Und das war es auch nicht, für ziemlich lange. Ich war Mitglied im Club der Berliner Boheme und eines kreativen Prekariats geworden und ich muss gestehen, dass ich erst dann den Wirtschaftsteil meiner Zeitung zu lesen begann, als ich wie viele von der weltweiten Banken- und Finanzkrise überrollt worden war. Wie, was, wo, fragte ich mich, was ist denn passiert? Ich hatte das Gefühl aus einem langen Dornröschenschlaf erwacht zu sein und nun alles nachholen zu müssen, was ich verpasst hatte. Da gab es ein Bankensystem, das Milliardenbeträge verzockt hatte, Banken, die mit unseren Steuergeldern gerettet wurden, Staaten, die plötzlich insolvent waren. Broker packten aus und erzählten von der eiskalten Logik des Kapitals, Aktivisten besetzten die Wallstreet. Plötzlich gab es auch eine beachtliche Anzahl von Steuerbetrügern, prominente und weniger prominente, Steuer-CDs, die den Finanzbehörden zugesteckt wurden und eine moralisch geführte Debatte über Steuergesetze und Briefkastenfirmen, über Superreiche und die Bedrohung der Demokratie. Ökonomen prangerten die zunehmend ungerechte Vermögensverteilung an, Managergehälter wurden veröffentlicht und kritisiert, das Bankgeheimnis der Schweiz wurde aufgehoben. Eine befreundete Autorin aus Barcelona brachte es kurz und knapp auf den Punkt: Die Gewinne werden kapitalistisch verteilt, die Verluste sozialistisch. So ist das immer. Es gab also genügend Gründe wütend zu sein und ich begann mich bewusst mit der Frage auseinander zu setzen, wie Geld auf Menschen wirkt, wie seine Wirkung ist, wenn man davon zu wenig hat und wie seine Wirkung ist, wenn man davon zu viel hat. Ich stellte mir vor, wie ein großes Vermögen die Persönlichkeit eines Menschen prägte und wie es ihn und sein Sozialverhalten beeinflussen musste, wenn er dieses Vermögen versteckt hielt und die fälligen Steuern nicht zahlte. Ich versuchte mir die Motive vorzustellen und wie ein Jahre, vielleicht Jahrzehnte langes Betrügen sich in ihm fortpflanzen und eine Lüge die andere hervorbringen musste. Die prominenten Steuerhinterzieher, die von Presse und Öffentlichkeit durch die Mangel genommen wurden, gewährten uns wenig Einblick in ihre intime Löwengrube. Die interessierte mich aber am meisten. Und so versuchte ich eine Geschichte zu schreiben, in der ich den Preis der Steuerersparnis, die emotionale Dimension des Betrügens erfahrbar machen konnte. Ich versuchte mir einen Fall vorzustellen, in dem die Betrügenden nicht durch und durch die gierigen Bösen waren und die arme ehrliche Wahrheitssucherin, die den Fall aufzuklären hatte, auch eine andere, unschöne Seite an sich entdeckte. Ein moralisches Urteil war längst getroffen.