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Alltägliche Dramen

Veröffentlicht am 13.05.1998

Wo sind die wirklichen, die großen Dramen? Sie stehen jeden Tag in den Zeitungen, die man am Kiosk kaufen kann. Sie (die Dramen der Geschichte, die sozialen Dramen, die politischen Dramen) ereignen sich überall und werden täglich berichtet. Sie unterhalten uns. Sie bringen uns zum Staunen. Manchmal, wenn sie "irgendwie irgendetwas mit uns zu tun haben", ängstigen sie uns. Und wir laufen noch ein bisschen öfters zum Kiosk und kaufen noch mehr Zeitungen. 

Um uns über den Vorgang, der uns angeht, auf dem Laufenden zu halten. Um uns möglichst umfassend zu informieren. Um die Katastrophe, die sich anbahnt, das Ereignis, das Wellen schlägt, DEN FALL genau zu erforschen. Meistens wird der Fall irgendwann abgeschlossen, das Ereignis hat seine Unterhaltungsmunition verschossen, und die Katastrophe hat uns wieder einmal nicht wirklich betroffen. Dann können wir wieder lockerer werden. Dann können wir uns wieder dem eigentlichen Leben, dem Alltag, den Alltagssorgen, den ganz normalen Problemen zuwenden. Weiterleben, als ob nichts geschehen wäre. Weitermachen, leben eben, was ja auch schon schwierig genug ist. Wochen oder Tage später, möglicherweise, gibt es aber schon wieder einen anderen Fall, einen seltsamen und unter Umständen mit uns in Verbindung zu bringenden Vorgang, den wir, völlig unentschlossen, aber verführbar, irgendeiner Zeitung entnehmen. Und wir gehen wieder ein bisschen öfter als sonst zum Kiosk. Und lesen wieder eine Folge von Zeitungen. Und das aktuelle Ereignis ereignet sich wieder in unseren Köpfen. Als Vorstellung. Als Kino in unserem Kopf. Und es hat uns wieder niemand die Knochen gebrochen.