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Der Einkauf

Veröffentlicht am 08.10.2015

Ich komme gerade von einem Einkauf nach Hause, mit zwei vollen Einkaufstüten und einer inneren Leere, einem Gequältsein, das nicht nur meine Füße mir signalisieren...

 Ich habe mir eine Strumpfhose und ein viel zu teures Wolleseidetuch gekauft, ich habe ein Frotteehandtuch für meine Patentochter gekauft, die bald fünfzehn wird und ein paar süße französische Köstlichkeiten für einen Freund, der morgen Geburtstag hat. Ich habe mich noch nach einer Hose, nach einem Oberteil zu meinem blauen Rock und einer Mütze umgeschaut, weil ich diese Dinge meine zu brauchen, weil meine alte Mütze mir zu grau und langweilig vorkommt, meine Hosen hauptsächlich aus Jeans bestehen oder schon etwas zu abgetragen sind und ich für den Fall, dass ich mich mal etwas chicer anziehen möchte, ein Oberteil für meinen schönen blauen Wollrock ganz beruhigend fände. Es ist ein Fluch eine Frau zu sein, oh ja, das ist es. Die Formen und Farben wechseln ständig und dass ich nicht nur Hosen, sondern auch Röcke und Kleider tragen darf, ist zwar für manche Jahreszeit sinnvoll und bringt Abwechslung in mein Leben, aber ein Rock braucht eine Strumpfhose, die sowohl zum Rock als auch zum Oberteil als auch zu den Schuhen und dem Mantel dazu passen muss. Eine Hose entledigt mich der Strumpffrage, eine Socke kann ich unter ihr nämlich verstecken und auch die Schuhfrage ist nicht ganz so kompliziert, wenn man Hosen trägt. So weit so gut. Einmal im Jahr gehe ich in die Galerie Lafayette, um mit meinen Fingern an den ausgewählten neuen Stücken entlang zu streifen, bei manchen Preisen bekomme ich ein schwammiges Gefühl im Bauch, die Verkäuferinnen sind so freundlich, dass ich mich am liebsten mit einer Tarnkappe ausrüsten würde und die Damen aus der Parfüm- und Kosmetikabteilung tragen derart perfekte Make-Up-Gesichter durch die leuchtenden Gänge, dass mich eine schwermütige Resignation befällt, weil ich nie nie niemals so aussehen werde wie sie. Ich werde nie so aussehen wie sie, weil ich es niemals wollte und bis heute nicht will. Ich hätte gern eine schönere Mütze für diesen Winter, damit ich mich lieber anschauen mag, wenn ich mir mit Mütze im Fahrstuhlspiegel begegne, aber ich möchte keine Mütze mit Fuchs- oder Waschbärbommel und ich möchte auch keine Kashmir-Mütze, die 185 Euro kostet, allerdings auch keine aus Polyacryl, die ich für fünf bei Primark oder zehn bei C & A kriegen würde. Ich komme mir jedes Mal absurd vor, wenn ich um den bespiegelten Trichter der Galerie Lafayette wandele, wo man mich mit Madame anspricht und meine Finger die einzelnen, um Besonderheit ringenden Ponchos und Röcke und Mäntel berühren. Und mir wird regelmäßig schlecht, wenn ich die dicke, stechende von Chemikalien geschwängerte Luft zwischen den Rollständern von C & A oder H & M einatmen muss. Schimmelpilzblocker, Färbemittel, Bleichmittel, davon riecht man, je preiswerter die Kleidung ist, meistens deutlich mehr. Bekomme ich in dem französischen Spiegelturm, den ich, wie gesagt, einmal im Jahr aufsuche, oder im KaDeWe oder in der Galeria Kaufhof, die auch immer mehr auf Edel und Hochwertig machen, regelmäßig eine mittelschwere Depression, so als ob die sinnlose Fülle und Hochwertigkeit, die sich darin zur Schau stellt, sofort in eine dekadente Melancholie bei mir umschlägt, lösen Billigdiscounter bei mir tiefe Trauer und Verzweiflung aus. Aus beiden Welten muss ich fliehen, schon nach wenigen Minuten, auch wenn ich nichts gefunden habe. Und wenn ich dann doch mal etwas kaufe, wie heute diesen teuren Wolleseideschal, den ich mir vornehme, zehn Jahre mindestes zu tragen, dann wundert es mich doch sehr, dass ich keine immense Freude empfinde, keinen Tragestolz, dass sich in mir nicht mehr dieses kokette Entzücken einstellt, wenn ich mich mit diesem Tuch um den Hals im Spiegel betrachte, wenn ich es nach Hause trage, wenn ich es an meine Jacken halte und sehe, dass es passt. Nichts von diesen Gefühlen, die ich als junge Frau hatte, stellt sich mehr ein. Ich habe nicht den Eindruck, objektiv schöner geworden zu sein. Ich bin auch nicht glücklicher oder zufriedener oder erwartungsvoller, im Hinblick auf die Komplimente, die ich dafür ernten werde. Ich empfinde allenfalls so etwas wie Erleichterung, dass ich es hinter mich gebracht habe, diesen Einkauf, und ich nehme mir vor, das, was mir noch fehlt, doch lieber wieder online zu bestellen. Auch wenn das genau so verrückt ist.