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Das Menschentier und seine Technik

Veröffentlicht am 31.01.2018

Alles begann mit einem Bastelset, das wir unserer Tochter im Technikmuseum kauften und mit dem sie drei Roboter zusammenbauen konnte. Sie hatten kleine Motoren und wenn man die Kartonteile richtig zusammen steckte, bewegten sie sich. Um unsere Tochter weiter in das Thema einzuführen, zeigten wir ihr "Asimo" am Computer. "Asimo" ist dieser japanische weiße gesichtslose Roboter von Honda, der als erster wie ein Mensch gehen konnte. "Asimo" war niedlich und gefiel unserer Tochter. Er hatte einen grauen Kasten auf dem Rücken, der wie ein Rucksack aussah, darin befand sich seine Batterie, und er ging oder rannte mit gebeugten Knien und angewinkelten Armen. Er war ein Schulkind großer humanoider Roboter und dass sein Gesicht nur ein schwarzer gewölbter Monitor mit zwei Lichtpunkten war, störte uns nicht. Er war uns allen sympathisch und wir konnten nicht genug von ihm kriegen...

...Wir sahen uns alle Filme mit ihm an, die es gab und freuten uns darüber, wenn ihm etwas gelang. Wenn er nicht nur gehen, sondern auch laufen konnte. Wenn er es die Treppen hinauf- und hinunter schaffte. Wenn er tanzte. Wir lachten über ihn, wenn er Fußball mit Obama oder Merkel spielte. Wozu er eigentlich gut war, wozu er gebaut worden war, war keine Frage, die wir uns stellten. Er war einfach da und er war faszinierend.

Als wir letztes Jahr wieder ins Internet gingen, weil unsere Tochter nach Asimo fragte, war er schon ein nützlicher Dienstleister geworden. Er übte in einer Flughafenlobby Menschen auszuweichen. Er wurde trainiert einen Becher zu halten. Schließlich holte er sich selbständig einen Wagen mit Getränken und schob ihn durch eine sehr sterile Kantine und bediente junge japanische Frauen, die an Tischen saßen und so taten, als führten sie ein angeregtes Gespräch. Er stellte Becher vor sie hin, sprach sie mit heller Stimme an und verbeugte sich auf japanische Art. Womöglich war das ja seine Bestimmung, dem Menschen zu dienen. Kellner oder Fluggastbegleiter zu sein.

Wir waren auf youtube und angefixt und sahen uns später noch mehr Filme mit Robotern an. Wir sahen zu, wie alte demente Menschen die Roboterrobbe Paro streichelten und dieses animierte Kuscheltier den Kopf hob und fiebte. Wir sahen uns die neueste Version von Aibo, dem ersten Roboterhund von Sony an, der mittlerweile ein perfektes kleines Hündchen war und vollkommen sauber und pflegeleicht die Sehnsucht der Kinder nach einem Haustier erfüllte. Wir sahen uns sehr grob gebaute, Lasten tragende Industrieroboter an, wie sie im Test immer wieder umgestoßen wurden, sich aufrappelten und dann ihren Auftrag, ein Regal mit Kisten aufzufüllen, weiter ausführten. Oder diese Laufroboter für vermintes Gelände, insektenähnliche Wesen, die neben ihrem Entwickler durch einen verschneiten Wald liefen. Dann gab es einen Film über Lilly, eine französische Frau, die mit ihrem selbst gebauten Roboter InMoovator inzwischen verlobt war, es gab Filme, die Personal Robots oder eine Gatebox mit einer kleinen Mangafigur als Freunde des Menschen bewarben, und es gab unzählige Filme mit humanoiden Robotern, die Gemonoid HI-1 oder Erika oder Sophia, Roxxy oder Harmony hießen, die sprechen und zwinkern und lächeln konnten. Es hörte und hörte einfach nicht auf. Eine technische Revolution war im Gange, von der wir nur ansatzweise etwas mitgekriegt hatten.

Die zumeist männlichen Schöpfer reisen seit Jahren mit ihren Robotern um die Welt, um sie auf Technikmessen und Panels vorzustellen, um für ihre Forschungsarbeit zu werben und Geld einzutreiben. Die Veranstalter kündigen die eingeladenen Futuristen, die CEOs und Entwickler der Künstlichen Intelligenzen gerne mit einem Trommelwirbel in ihren Stimmen an und die Futuristen sprechen in einer Weise, die nur wenige wirklich verstehen. Trotzdem sind sie immer bemüht, ihren vermehrt humanoiden Robotern einen tieferen Sinn, eine messianische Rolle in der Gesellschaft zu prognostizieren.

Wenig technikaffin wie ich lange Zeit war, habe ich mich weder für Wellenlängen, Autoantriebe oder die Software meines Computers ernsthaft interessiert. Ich hatte schon meine Probleme mit Chemie und Physik in der Schule und wenn mir jemand die technischen Banalitäten nahezubringen versuchte, hatte ich meistens den Eindruck es kurz zu verstehen. Ich hatte für eine sehr begrenzte Zeit ein klares Bild, dann ein ungefähres Verständnis, schließlich wurde es wieder verschwommen.

Vielleicht hängt mein mangelndes Interesse an der Entwicklung von Robotern mit meiner Begriffstutzigkeit in technischen Belangen zusammen. Jedenfalls gingen viele der technischen Innovationen der letzten Jahre wie ein Streifschuss oder nur der Windstoß eines Schusses an mir vorbei. Die Digitalisierung von Fertigungsstraßen, Roboterarmen und -fingern, die Autoteile zusammensetzten, verschweißten und lackierten oder der Einsatz von Drohnen hatten keine unmittelbaren, näheren spürbaren Folgen für mich. Meinte ich. Doch das hat sich inzwischen verändert.

In meinem kleinen überschaubaren Umfeld haben Alexa und Siri, Saug- und Mähroboter Einzug gehalten. Die digitalen Medien beherrschen unsere Art uns zu orientieren, Aufmerksamkeit auf uns zu lenken und unsere Art und Weise zu kommunizieren. Mit unseren Freunden tauschen wir Kurznachrichten aus, die wir schnell mal zwischendurch tippen, wir schreiben Texte in Chatrooms und Emails und wir verzichten über Tage und Wochen darauf einander ganz real und wirklich zu sehen, wirkliche Gespräche mit unseren Freunden zu führen, uns längere Zeit zuzuhören. Mit Siri und Alexa allerdings genießen wir es endlich zu sprechen. Wir freuen uns, dass unser Smartphone und diese lächerliche Alexa-Dose unsere Fragen und Wünsche tatsächlich verstehen. Dass wir sogar Dialekt sprechen können. Und dass diese Sprache erkennenden Servicesysteme, wenn wir uns auf ihre Skills einlassen und darauf beschränken, dass die uns wirklich hilfreich sein können.

Doch wo soll das hinführen, frage ich mich, nachdem ich Wochen lang wie ein Junkie youtube Filme angeschaut habe. Ist der Mensch wirklich nur die Summe aus Technik und Tier, wie der japanische Robotiker Hirashi Ishiguro behauptet? Ist eine Maschinenintelligenz, die die Intelligenz der gesamten Menschheit hinter sich lässt, wirklich eine gute Idee, die man umsetzen sollte? Brauchen wir tatsächlich menschenähnliche Roboter, die uns im Haushalt helfen, unsere kranken Angehörigen pflegen, mit unseren Kindern spielen oder sie unterrichten? Brauchen wir Roboter, die uns an der Hotelrezeption in Empfang nehmen oder uns den Kaffee servieren? Sind wir als Menschen so überfordert, so schlecht ausgestattet, so überflüssig geworden, dass wir die selbstverständlichsten Dinge von Robotern ausführen lassen müssen? Wollen wir es einfach so hinnehmen, dass die Vereinsamung in unserer Gesellschaft so unumgänglich und für immer mehr Menschen ein unerträglicher Dauerzustand ist, dass sie sich für ein Leben in virtuellen Welten, einen Androiden oder für eine Sex oder Real Doll entscheiden, die sie zuhause schamhaft vor den Augen der anderen, (sollte sie ein anderer besuchen), verstecken? Und wie ist es für den Kreis der Angehörigen, mit einem geklonten Androiden eines Verstorbenen zurück gelassen worden zu sein? Werden wir die Liebesbeziehung zwischen Lilly und ihrem InMoovator irgendwann genau so akzeptieren wie wir die Aufhebung der Geschlechterrollen und ihrer Zuschreibungen für angebracht halten? Werden wir uns an den Umgang mit Robotern und Androiden als Helfer und Partner in unserem unmittelbaren Leben gewöhnen, so wie wir uns an den Umgang mit Spielkonsolen, Computern und sprechenden Puppen gewöhnt haben und wie wird uns diese Gewöhnung verändern? Werden wir resignieren, was unsere menschlichen Schwächen und Fehler betrifft? Werden die humanoiden Maschinen uns glücklicher machen? Und wenn nicht, könnten wir irgendwann sagen: "Vielen Dank auch, das war ja alles sehr interessant, aber wir brauchen sie doch nicht!"? Könnten wir uns, wenn uns dieser technische Hype eher schadet als nutzt, auch davor bewahren?